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Amokläufe (Was sind die wirklichen Gründe?)
- _Falk_
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Ein 20 Jahre alter Schüler soll mit einer Axt und einer Machete bewaffnet in Mayflower (Mpumalanga-Provinz) nahe einer Schule auf Menschen losgegangen sein und drei Personen getötet sowie zwölf verletzt haben - zu den Opfern zählt auch ein Baby. Bereits am Freitag sei der scheinbar geistig verwirrte junge Mann durch Gewalttätigkeiten auffällig geworden, konnte aber nach einer Verwarnung der Polizei beruhigt werden. Die Motive seien noch unklar, der Schüler muss sich nun wegen dreifachen Mordes und zwölffachen Mordversuches einem Gericht stellen.
Eine Tatsache, die bei Amokläufen ziemlich selten der Fall ist, da der Täter sich entweder selbst richtet oder gerichtet wird. Für die Angehörigen gibt es für solche Täter zwar kaum eine gerechte Strafe, da er im Zuge seines Wahnsinns Menschen in den Tod reißt, die noch in der Blüte ihres Lebens standen, dennoch wäre ein Gerichtsverfahren vielleicht ein Weg, um die Vorfälle zu verarbeiten und einen Funken Gerechtigkeitsgefühl zurückzuerhalten.
Nach solch einer Tat wartet man nun unweigerlich auf Berichte, denen zufolge der südafrikanische Täter am Vorabend des Amoklaufs Counterstrike oder einen ähnlichen Egoshooter gespielt haben soll. Die Grausamkeit solcher Taten soll damit sicherlich nicht heruntergespielt werden, aber objektiv betrachtet ist weit mehr erforderlich, als der Besitz und das regelmäßige Spielen solcher Games. Ganz unbestritten wird man dadurch mit einem Auswuchs von Gewalt konfrontiert, den man sonst nur von Gewaltfilmen, wie die Saw-Reihe, kennt, jedoch durchlebt ein potenzieller Amoktäter unterschiedlichste Phasen weit vor seiner Tat, die ihn dann auch zu jener führen.
Enttäuschungen, Frustrationen und Niederlagen spielen in diesem Zusammen-hang eine ganz besondere Rolle. Menschen, die eine solche Tat in Erwägung ziehen, wollen mit ihrem Leben abschließen, sich rächen und Geschichte schreiben - wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben. Eine gescheiterte Persönlich-keit wird für einige Stunden zur Hauptfigur des öffentlichen Interesses und entwickelt sich zum Anti-Helden. Sämtliche Mechanismen des logischen Denkens sind ausgeschaltet, man denkt nur noch an das Eine und ist nicht mehr zugänglich. Im Zustand dieses Wahnsinns ist nicht auszuschließen, dass der aus Winnenden stammende Tim seine letzten Aggressionen und die Schießlust aus dem Spiel "Far Cry 2" rekrutiert hat, doch es ist ein vollkommen falscher Ansatz, zu behaupten, dass jeder Far Cry- oder Counterstrike-Spieler ein potenzieller Täter ist.
Die Fassungslosigkeit über diese Tat treibt die Gesellschaft in die Pflicht, schnell einen greifbaren Schuldigen zu finden, doch ist es eine klare Frage von Ursache und Wirkung. Die Ursache als solche muss bekämpft werden: Wie konnte es dazu kommen, dass dieser Mensch so entgleisen konnte, wer hat dazu beigetragen oder welche Instanzen haben nicht funktioniert? Einer Statistik zufolge sollen sehr viele jugendliche Amokläufer aus wohlbehütetetem Hause kommen, die interne Probleme gerne beiseite schieben und weder erkennen noch angehen wollen, um die Außenwirkung nicht zu zerstören.
Was wir brauchen, sind Menschen, die aufeinander achten und sich gegenseitig respektieren. Wir brauchen engagierte Eltern und Lehrer, die verantwortungs-bewusst auftreten und notfalls die notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten. Wir brauchen Politiker, die sich wirklich mit der Thematik auseinandersetzen, vernünftige Waffengesetze schaffen, welche den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, ihren Schießsport auszuüben, aber uns Menschen schützt. Wir brauchen aber keine Talkshow-Gäste, die populistische Behauptungen in die Welt rufen, dadurch den Applaus der Unwissenden ernten, jedoch nichts verstanden haben, sondern wieder neue Feindbilder und wiederum neues Aggressionspotenzial schaffen.
In Gedanken sind wir bei den Opfern und Angehörigen der Amokläufe von Alabama, Winnenden und Mayflower. Alles Andere liegt in euren Händen.
Quelle: Daniel S. (aka FanatiC)
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- Jana
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ich finds echt übel, dass die eltern von tim k. nicht einmal mitbekommen haben, dass ihr sohn in der schule von den klassenkameraden unterdrückt wurde. ich finds auch unverantwortlich, dass der vater so rücksichtslos mit seinen waffen umgeht. man sagt ja, dass bei amokläufern für 10-20 minuten, oder ungefair um den dreh, nichts mehr zu machen sei, also, dass sie komplett nichts mehr von der außenwelt mitbekommen und einfach nur noch ihren "plan" vor augen haben... tim k. hat aber doch fast nur weibliche opfer gehabt und diese alle ( glaub ich, oder fast alle) in den kopf geschossen... natürlich war er ein guter schütze, aber er hat sich trotzdem sehr auf diese eine sache konzentriert und hat später noch eine geisel genommen. ist er mit der nicht auch noch auto gefahren? hat das nicht länger als 10-20 minuten gedauert. ich finds einfach unglaublich, dass man so etwas nicht vorher erkennt, insgesamt fällt einem das doch auf, besonders den eltern, wenn jemand sich zurück zieht usw.. der junge ist so psychisch am ende gewesen und ich denke, dass man da etwas gegen gemacht haben könnte. SCHRECKLICH !
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- Dominic
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Nennt mich ruhig abgeschumpft oder herzlos, aber ich kann diesen ganzen Medienrummel und Gerede über "Amokläufe" und die "Killerspiele", die fast immer im selben Atemzug erwähnt werden nicht mehr hören. Sicherlich ist eine solche Tat schlimm, jedoch betrifft und schockiert sie nur diejenigen, die wirklich vor Ort waren, oder die Opfer/Angehörigen. Der Rest der Welt(speziell unsere lieben Politiker) bekunden ihr Beileid, was meiner Meinung nach aber größtenteils davon kommt, dass es sich in der Öffentlichkeit gut macht und wenn überhaupt nur ein sehr geringer Teil aus "echter" Betroffenheit heraus kommt. Darauf hin ist die ganze, unwissende Welt wieder in Aufruhr und es beginnen die üblichen Diskussionen und die Suche nach Ursachen. Das an sich wäre ja nicht so schlimm -nein es ist sogar sehr gut, dass darauf reagiert wird- wenn da nicht gleichzeitig die Suche nach einem Sündenbock, statt einer Lösung bzw. einer Art Vorbeugung solcher Fälle folgen würde.
Und dieser ist in der heutigen Zeit(zumindest in Deutschland) schnell gefunden: die sog. "Killerspiele"(die ja auch in dem von Falk eingestellten Artikel erwähnt werden).
Früher war es das Fernsehen, heute sind es Killerspiele und Internet, die Auslöser und Ursache solcher Taten seien sollen. Gestützt wird sich dabei auf diverse "Studien", die dies angeblich beweisen sollen. Diese Studien sind aber meiner Meinung nach völlig sinnfrei.
www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29958/1.html
Dies ist ein Artikel, den ihr euch gerne durchlesen könnt, der einmal kurz etwas zu den Hintergründen solcher Studien erklät.
Ich will nicht sagen, dass moderne Medien keine Ursache seien können. Nein, ich will sagen, dass diese niemals alleiniger Faktor oder Auslöser seien können. Vielleicht eher einer von vielen kleinen Faktoren, die in andere mit reinspielen.
Meiner Meinung nach ist doch ein viel größerer Faktor das soziale Umfeld der Menschen und unsere Gesellschaft.
Jana schrieb:
Ich finde nicht, dass unbedingt jemandem auffällt und auch den Eltern nicht. Heutzutage ist das Familienleben und die Kommunikation untereinander völlig anders. Wo früher noch Dinge gemeinsam besprochen wurden, wissen heute viele Eltern überhaupt nichts mehr von Erziehung oder wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen(was ich jetzt nicht allen unterstellen will, aber es ist nunmal immer häufiger so). Und genau darin liegt denke ich eine von vielen größeren Ursachen, die zu solchen Taten führen.ich finds einfach unglaublich, dass man so etwas nicht vorher erkennt, insgesamt fällt einem das doch auf, besonders den eltern, wenn jemand sich zurück zieht usw..
Abschließend möchte ich nocheinmal betonen: Diese Geschehenisse gehen keinesfalls so an mir vorbei. Aber ich sehe keinen Sinn in Beildiesbekundungen o.ä., das hilft niemandem. Ich möchte nur einmal die Leute zum Nachdenken anregen, dass man sich vielleicht vorher einmal selbst mit den Ursachen solcher Dinge beschäftigt, versucht sich selbst in die Lage solcher Menschen hineinzuversetzen und sich seine eigene Meinung bildet, statt Meinungen anderer nachzuplappern.
“Ein intelligenter Mann ist manchmal gezwungen, sich zu betrinken, um Zeit mit Narren zu verbringen.” - Ernest Hemingway
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- Kai
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Ich möchte Dominic widersprechen, in dem Punkt, dass eine Familie so etwas nicht merkt bzw. nicht mehr in der Lage ist, so etwas zu bemerken. Ja, die Kommunikation in Familien ist anders geworden, schließlich ist heute heute und nicht "damals". Dennoch will ich das nicht gut heißen.
Bevor ich aber nun große Behauptungen aufstelle, stellen sich bei mir Fragen zur Tat. Was bezweckte Tim K.? Welche Frage wollen wir beantwortet? Worauf will wer reagieren und Verbote aufstellen und Gesetze entwickeln?
- Einen Abgang machen, den jeder bemerkt?
- Anderen ein schlechtes Gewissen machen?
- Die Gesellschaft wachrütteln?
- Anderen zeigen, dass man zu solchen drastischen Mitteln greifen muss, um seine Message in der Gesellschaft zu platzieren?
- Auf Missstände hinweisen?
- Geht der einzelne in der Leistungsgesellschaft unter?
- Ein dragisches Ende einer psychischen Erkrankung?
MfG
...MiTtEl...
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- Jana
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- Dominic
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Was er jedoch genau wollte? Er wäre der einzige gewesen, der uns das hätte erklären können denke ich. Schließlich sind auch führende Psychologen nicht in der Lage, das Phänomen Amoklauf genau zu erklären. Einzig und allein können Vermutungen aufgestellt werden und durch das, was man sicher weiß(von Familie, Freunden, Vergangenheit etc.), genauer eingrenzen.
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- Dominic
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Liebes M!-Team,
gerade habe ich den Leserbrief des ’geschockten Pädagogen’ gelesen und möchte hiermit mal eine Sichtweise ermöglichen, die es in der Form vielleicht noch nicht gegeben hat. Auch ich war fest entschlossen einen Amoklauf zu starten, verhindert wurde dies nur durch einen Zufall.
Sollte Euch interessieren wie Menschen zu Amokläufern werden können, möchte ich hiermit meine Geschichte erzählen. Vielleicht wirft diese ein etwas anderes Licht auf diese grausamen Taten, die immer wieder geschehen. Die Person, die es am meisten betrifft kann man leider nicht mehr fragen, da sich die Täter traditionell am Ende selbst richten.
Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf mit geschätzten 400 Einwohnern und besuchte natürlich auch die dortige Schule. Ich war, als ich eingeschult wurde, sehr lern- und wissbegierig, in den ersten Jahren mit der Klassenbeste und las bereits Bücher als die meisten anderen gerade erst mit dem ABC fertig waren. Ich war ein sehr ruhiges Kind - relativ unauffällig, friedlich und freundlich. Mit anderen Worten: Ich war anders als die meisten anderen. Zudem auch nicht besonders sportlich und körperlich schwächer als der Rest. Ein gefundenes Fressen für Menschen mit schwachem Geist und eingeschränkter Persönlichkeit.
Im Laufe der Jahre wurde ich zum Prügelknaben und Sündenbock für alles mögliche abgestempelt. Als ich in die fünfte Klasse kam, begann ein Leben, dass ich im Nachhinein nur als Horrorszenario beschreiben kann. Ich interessierte mich eher für Naturwissenschaften, Bücher und seit meinem 12. Lebensjahr (als ich ein NES geschenkt bekam) auch mit absoluter Begeisterung für Videospiele. Gerüchte wurden laut, teilweise verbreitet durch Eltern, ich würde, wenn ich älter wäre, bestimmt mal ’anders’ werden. Schwul, für Dorfbewohner also die niederste Lebensform die für sie überhaupt existiert. Dies griffen einige Schüler auf und verbreiteten das Gerücht, welches wohlwollend von vielen aufgenommen wurde. Meine Situation verschlimmerte sich auch noch dadurch, dass ich mich nicht dem Gruppenzwang unterordnen wollte. Ich interessierte mich nicht für Zigaretten oder Alkohol, Discotheken waren nie mein Ding und das Thema Sex bzw. überhaupt erstmal eine Orientierung in dieser Richtung zu finden war mir erstmal auch egal. Jemanden wie mich würde man wohl als Spätzünder bezeichnen.
Dies führte natürlich dazu, dass ich nicht ’cool’ genug war und noch mehr ausgeschlossen wurde - was wiederum dazu führte, dass ich mich für die oben genannten Dinge noch weniger interessierte und deswegen wurde ich noch uncooler wurde usw. - ein Teufelskreis. Ich hatte nur zwei Freunde, die sich in einer ähnlichen Situation befanden und mir nicht wirklich helfen konnten, ich hatte manchmal den Eindruck dass jeder von uns froh war, wenn mal ein anderer gemobbt wurde.
Bereits auf dem Weg zur Schule wurde ich gehänselt, durch den Schuleingang an den dort herumstehenden Schülern zu gehen war jeden Tag ein Spießrutenlauf. Man warf mir Beleidigungen an den Kopf, teilweise bespuckte man mich, quälte mich, schubste mich herum und tat mir sowohl psychisch als auch physisch weh. Ich war verzweifelt. Körperlich unterlegen sah ich irgendwann keinen anderen Ausweg als selbst Gewalt gegen einen dieser Sadisten anzuwenden. Dieser Versuch wurde jedoch im Keim erstickt - indem man mir sofort den Arm verdrehte und mich anderen vorführte. Wenn man allein ist und versucht sich zu wehren, wird alles nur noch schlimmer. Man hat als Einzelner keine Chance, wenn andere sich immer wieder gegen einen verbünden.
Ich versuchte etwas anderes. Mich anzupassen. Ich trank Bier, fing an zu rauchen und versuchte, Anschluss zu finden. Indem ich so tat, als ob mich die Themen der anderen interessierten. Partnersuche, Disco, Drogen. Im Grunde genommen versuchte ich, jemand zu sein der ich nie sein und werden wollte. Dies wurde erst skeptisch beäugt bis man dann kollektiv beschloss, es lächerlich zu finden. Meine Eltern wussten von diesen Dingen so gut wie nichts. Ihnen war klar dass ich nicht sonderlich beliebt war, was aber wirklich in der Schule und vor allem in mir vorging, wussten sie nicht.
Lehrer beobachteten diese Szenarien zwar, schauten aber wohlwollend weg. Sind ja nur Kinder. Die meinen das nicht ernst. Ist ja nur Spaß. Dass dabei aber jemand innerlich zugrunde geht, interessierte niemanden. Eine Lehrkraft meinte einmal zu einem der obersten Rädelsführer, er solle doch seine überschüssige Kraft an einem Baum abreagieren, andere zu ärgern wäre unfair. Und das war es dann auch schon.
Ein Highlight war, als ein hinter mir sitzender ‚Klassenkamerad’ versuchte, mich im Unterricht anzuzünden - indem er mir ein brennendes Feuerzeug in den Nacken hielt. Den Lehrer interessierte dies herzlich wenig. Ich hatte danach eine offene, nässende Wunde im Nacken, die ich versuchte vor meinen Eltern zu verstecken. Sie fanden es trotzdem heraus und fragten geschockt was passiert wäre. Ich versuchte die Sache herunterzuspielen um das folgende Szenario zu vermeiden. Mir war klar, dass eine Einmischung meiner Eltern alles nur noch schlimmer machen würde. Am nächsten Tag fingen sie den Verursacher meiner Brandwunde ab (mein Elternhaus lag auf dem allgemeinen und einzigen Schulweg) und stellten ihn zur Rede. Sie ermahnten ihn, mich zukünftig in Ruhe zu lassen.
Das war der Beginn eines noch schlimmeren Alptraumes. Sowieso schon täglich gehänselt und ausgeschlossen, in der Schule ängstlich immer nur auf den nächsten Angriff wartend, war ich nun als Petze abgestempelt die sich nicht wehren kann und Mama und Papa vorschickt.
Ab da war mein Leben kein Leben mehr. Ich verkroch mich nur noch in meinem Zimmer, die Schule war jeden Tag ein emotionaler Trip in die Hölle. In den Pausen war ich oft ’fällig’, im Sportunterricht sowieso. Schwächlinge mit schlechten sportlichen Leistungen waren bei der damaligen Sportlehrerin sowieso nicht beliebt - dies war auch die ideale Gelegenheit dem Idioten, also mir, immer wieder richtig eins reinzuwürgen. Im wahrsten Sinne des Wortes, ich sage nur Völkerball….
Videospiele waren von da an mein täglicher Begleiter. Ich brauchte diese um mich abzureagieren. Ego-Shooter waren nie mein Ding, aber Prügelspiele, Horrorspiele, Rollenspiele. Ich flüchtete mich in Phantasiewelten, um nicht wahnsinnig zu werden.
Als wir eines Tages wieder Sportunterricht hatten, begab sich die Klasse in Richtung Sporthalle am anderen Ende des Dorfes, um dort auf den Unterrichtsbeginn zu warten. Keine Lehrkraft in der Nähe (da mal wieder zu spät) und aggressive Raufbolde die Langeweile hatten. Bis jemandem einfiel, die umherliegenden Steine und Schieferplatten als Wurfgeschosse gegen mich zu verwenden. Die Idee fand wachsenden Zuspruch und so fing man quasi an, mich zu steinigen.
Ich hatte keine Chance mich zu wehren. All die Jahre der Qualen und Erniedrigungen ohne Aussicht auf Besserung oder Akzeptanz meiner Person brachen in diesem Moment über mich herein. Ich wollte flüchten und schaffte es irgendwie mit meinem Fahrrad zu entkommen… natürlich nicht ohne den Versuch mich daran zu hindern und mir weitere Steine hinterherzuwerfen. Man könnte ja noch den einen oder anderen Treffer landen. Ich fuhr zum Haus meiner Eltern, fing an zu weinen und wollte nur noch eines. Töten oder getötet werden. Mein Leben war sinnlos. Ich hatte an diesem Tag begriffen, dass es nicht besser werden würde, egal was ich auch versuchen sollte. Ich sah den Tod - in welcher Form auch immer - als den einzigen Ausweg. Ich traf unterwegs meine Sportlehrerin und rief Ihr zu, dass ich nicht mehr kann. Es schien sie kaum zu interessieren. Als ich an der Werkstatt meines Vaters war ließ ich mein Fahrrad fallen und begab mich tränenüberströmt zum Waffenschrank. Mein Vater hatte Waffen und ich wusste auch damit umzugehen, wir hatten immer wieder Zielübungen auf Bierdosen oder Ü-Ei Figuren unternommen. Mir war alles egal. Ich wollte diese Menschen töten, einen Befreiungsschlag ausüben, Rache nehmen für die Jahre der Hölle auf Erden, die man mir bereitet hatte. Ich wollte nur noch den Tod. Den der anderen und/oder meinen eigenen. Egal. Es sollte einfach nur enden. An diesem Tag. Mir war alles egal.
(Un)glücklicherweise war der Waffenschrank meines Vaters an diesem Tag verschlossen. Ich rüttelte daran, erreichte aber nicht das was ich wollte. Waffen um zu töten. Als ich begriff, dass nicht einmal dies funktionierte, war alles für mich vorbei. Ich lebte in der Hölle und es gab keinen Ausweg. Eine Weile später fanden mich meine Eltern heulend und zitternd in meinem Zimmer. Ich hatte einen totalen Nervenzusammenbruch. Natürlich waren diese sofort in Panik und fragten was passiert wäre, meine Antwort drauf war immer wieder, dass ich am Ende wäre und nur noch einen Wunsch habe: Meine Peiniger zu töten oder mich umzubringen. Es sollte einfach nur vorbei sein.
Ich ging von da an nicht mehr in die Schule. Psychologische Hilfe lehnte ich ab. Was sollte dies bringen? Besser damit umzugehen, dass ich misshandelt werde? Verständnis für meine Peiniger aufbringen? Lächerlich….
Als in der Schule der Ernst der Lage erkannt wurde, wurden Diskussionen im Unterricht darüber geführt, wie ich später erfuhr. Nach einigen Tagen kam einer der schlimmsten Folterknechte zu mir nach Hause, um sich zu entschuldigen. Klar, dass er dies nur tat weil er dazu gezwungen wurde. Man sah ihm an, dass es nicht wirklich ernst gemeint war. Ich ging daraufhin wieder zur Schule - an meinem ersten Tag bekam ich von einer Mitschülerin eine Blume überreicht und eine Entschuldigung im Namen der ganzen Klasse. Lächerlich, dachte ich nur. Diese Schweine hätten von mir aus auch elendig verrecken können, aber ich nahm dankend an und machte gute Mine zum bösen Spiel, denn keine zwei Wochen später ging es - wenn auch in wesentlich abgeschwächter Form - weiter wie vorher.
Ich beendete nach der Realschule freiwillig meine Schullaufbahn, der Gedanke auf ein Gymnasium zu gehen und 3 weitere Jahre den Horror zu erleben, war unerträglich. Ich machte eine Ausbildung und tat das einzig Richtige: Ich zog sofort weg.
Ich konnte endlich, nach fast 20 Jahren in Hamburg einen Neuanfang starten, in einer Stadt, in der mich niemand kannte und ich Menschen kennenlernen durfte, die mir gegenüber unvoreingenommen waren. Ich war am Anfang sehr schüchtern und ängstlich, blühte aber von da an förmlich auf. Heute kann ich sagen : Mein Leben begann erst mit 20, alles andere davor war ein Alptraum, die Hölle auf Erden. Viele Jahre lang. Heute habe ich viele Freunde, alles Menschen die mich mögen und auf die ich mich verlassen kann, ich habe mein Abitur an der Abendschule nachgemacht (diese Zeit zählt zum schönsten überhaupt - hätte nie gedacht, dass so etwas in einer Schule möglich wäre), studiere demnächst Psychologie, habe einen tollen Job und führe ein zufriedenes Leben. Ich weiß mich meiner Haut zu erwehren und habe mittlerweile ein derartig starkes Selbstbewusstsein entwickelt, dass mich heute niemand mehr auch nur ansatzweise angreifen kann. Ich habe vor einigen Jahren in einer Psychotherapie meine Vergangenheit aufgearbeitet und kann nun besser damit leben.
Wenn ich heutzutage lese dass ’Killerspiele’ Menschen zu Monstern mutieren lassen, kann ich nur mit dem Kopf schütteln über soviel Ahnungslosigkeit und Dummheit. Menschen machen aus Menschen Killer, nicht Spiele - egal ab gewaltverherrlichend oder nicht. Auch ich zocke heute “Resident Evil“, “Silent Hill“ und freue mich tierisch auf “Mad World“. Allerdings haben mich solche Spiele nie aggressiv gemacht und werden es auch nie tun. Es sind Spiele. Nicht mehr, nicht weniger. Man wird nicht zum Amokläufer weil man Killerspiele spielt, man spielt diese, um sich abzureagieren. Ein Ventil, nichts weiter.
Im Gegensatz zu vielen anderen kann ich nur sagen: Mir tut der Amokläufer von Herzen leid. Ich denke, ein normaler Mensch kann sich nicht vorstellen wie es ist, ausgestoßen und nicht akzeptiert zu sein. Damit könnte man vielleicht noch leben, wenn man wenigstens in Frieden gelassen werden würde.
Ich würde nur zu gern mit den Menschen ein Gespräch führen, die der Meinung sind, dass Games als Sündenbock zur Verantwortung zu ziehen sind und Ihnen gern mal meine Sichtweise schildern. Vielleicht hilft es ja, wenn diese Leute anstatt einfach groß das Maul aufzureißen, jemandem zuhören der wirklich weiß, wie es in solch gequälten Seelen aussieht. Aber das zählt ja nicht, solange sogenannte ’Experten’ ihre ’wissenschaftliche’ Meinung publizieren.
Mittlerweile bin ich froh, dass mein Amoklauf nicht stattfand. Einige meiner Peiniger sind heute tot, gestorben bei Autounfällen, andere sind drogenabhängig oder seit Jahren arbeitslos und hängen an der Flasche - andere wiederum haben innerhalb der Dorfgemeinschaft geheiratet und führen ein erbärmliches Leben, während ich meines in vollen Zügen genieße. So hat am Ende jeder bekommen, was er verdient und zu sehen wie sich die anderen selbst zu Grunde richten, ist in meinen Augen besser als jeder Amoklauf und mehr als eine Genugtuung.
Vielleicht gibt es ja da draußen Menschen denen es jetzt ähnlich geht wie mir damals. Sollten diese Stütze oder einen Rat benötigen, bin ich gern bereit zu helfen. mein Leserbrief veröffentlichen Resonanz hervorrufen, könnt Ihr meine Mail-Adresse gern weiterleiten.
Im übrigen: Ich bin jetzt 30 Jahre alt, spiele seit fast 18 Jahren Videogames und kenne (unter anderem) die MAN!AC seit ihrer ersten Stunde. Ich weiß also, wovon ich rede, wenn ich über Games und Gewalt hier meine Meinung äußere.
Mit freundlichen Grüßen
(Aus nachvollziehbaren Gründen verzichten wir darauf, Namen und Bild des Autors zu veröffentlichen. Wer mit ihm in Kontakt treten möchte, kann dies - über uns – gerne tun: per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
(Quelle: www.maniac.de/content/leserpost-mein-verhinderter-amoklauf )
“Ein intelligenter Mann ist manchmal gezwungen, sich zu betrinken, um Zeit mit Narren zu verbringen.” - Ernest Hemingway
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- Jessica
Danke dass du den artikel rein gestellt hast, den fand ich echt sehr interessant!
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- Mel84
MfG Mel
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- Jana
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Dabei ist der Amoklauf von Wenneden gerade mal ein halbes Jahr her und nun schon wieder?
Ich hab beim Zahnarzt heute einen Artikel über Mobbing gelesen... sehr interessant! Mobbing kann noch 20 Jahre später Folgen im Leben haben.
Ich finde man sollte sich mit dem ganzen Thema mehr befassen... und vielleicht auch in der Schule mehr darüber aufklären.
liebe Grüße Jana
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